Die Geschichte der Zulu

Das „Volk des Himmels“, wie sich die Zulu nannten, kam erst im 16. Jahrhundert ins östliche Südafrika und lebte wie andere Völker auch, in verschieden grossen Stämmen im sehr fruchtbaren, heutigen Natal Gebiet. Dies änderte sich, als König uShaka mit aller Härte und Brutalität die Zulu-Stämme einte und ein vereintes Königreich schuf.

 

uShaka hatte keine einfache Kindheit, obwohl er ein Königssohn war. Seine Mutter flüchtete mit ihm zusammen zu einem anderen Stamm und er lernte früh, sich mutig durchzuschlagen. Mit 15 tötete er, mit nur einem Speer bewaffnet, einen Leoparden, indem er den Leoparden nah an sich herankommen liess und ihm den Speer in den Hals rammte. Durch seinen Mut machte er auf sich aufmerksam und wurde des Königs Krieger. Dabei entdeckte uShaka, dass die damals von den Zulu verwendeten, langen, aber leichten Speere kaum zum Erfolg führten und wandte in seinen Kämpfen genau die gleiche Kampftechnik wie beim Leoparden an. Er entwarf eine neue Waffe, den Iklwa: eine lange Klinge mit einem kurzen, aber stabilen Schaft aus Holz. uShaka warf fortan keinen Speer mehr aus der Ferne, sondern sprang auf den Feind zu, riss ihm das Schild auf die Seite und stach ihn nieder.

1816, als im fernen Kapstadt bereits die Holländer und die Briten um die Vorherrschaft am Kap kämpften, starb uShakas verhasster Vater. Sein Halbbruder Sigujana wurde Häuptling seines Stammes. Doch uShaka suchte seinen Halbbruder in Begleitung von 50 Kriegern auf, tötete ihn und erhob sich selbst zum König aller Zulu Stämme.

Die folgenden Jahre führte uShaka Krieg gegen die Zulu-Stämme und löste damit eine grosse Flüchtlingswelle aus. Wer sich nicht unterordnete oder flüchtete, wurde getötet. Bis 1822 befehligte uShaka 80‘000 Krieger und hielt sich für die Personifizierung des Zulu-Imperiums. Er war unantastbar geworden und seine Untertanen mussten sich ihm auf dem Bauch kriechend, nähern. Dies änderte sich jedoch schlagartig, als im Oktober 1827 seine geliebte Mutter starb. uShaka konnte ihren Tod nicht begreifen und vermutete Hexerei dahinter. 7000 Menschen mussten am gleichen Tag mit dem Leben bezahlen, weil ihnen uShaka Hexerei vorwarf. Zudem ordnete uShaka im ganzen Königreich ein Trauerjahr an. Es durfte weder gesät, noch geerntet werden. Auch war jeglicher Geschlechtsverkehr untersagt. Frauen, die in diesem Jahr gebaren, wurden samt ihrer Familie hingerichtet. Der König war einem Wahn verfallen, verlor seinen göttlichen Status, wurde am 22. September 1828 von seinem Halbbruder Dingane getötet.

Trotzdem ist uShaka noch heute das Tor zu den Zulu. Ihm haben die Zulu ein gemeinsames Königreich zu verdanken, dem sich die Zulu auch heute zugehörig fühlen.

Die Zulu und die weissen Eroberer

Es wird betont, dass sowohl uShakas Vater als auch uShaka selbst, gute Handelsbeziehungen zu den Engländern pflegten. Nachdem die Engländer 1823 in Port Natal (heute Durban) gelandet waren, verkaufte ihnen uShaka Raubtierfelle, Kuduhörner, Elfenbein und Krokodilhäute. uShaka und die Engländer lebten in einem friedlichen Nebeneinander. Obwohl er seine Widersacher mit Brutalität niedermetzeln liess, beschützte uShaka stets die weissen Engländer, für deren König George er grossen Respekt zeigte.

Der Zusammenstoss der Buren mit den Zulu war vielmehr das Ergebnis einer Auseinandersetzung zwischen den Engländern und den Buren in Kapstadt. Ab 1834 nahm die Aversion der Buren gegenüber den Engländern ein Mass an, das sie veranlasste, ihre Habseligkeiten auf Planwagen zu packen und unbebautes Land zu suchen. Vor allem ging es dabei um die Sklaven, welche den Buren dienten, aber laut dem englischen Gesetz freigelassen werden sollten. Die Buren bangten um ihre gratis Arbeitskräfte.

Über die Drakensberge gelangte Piet Retief mit 71 Buren und 30 Schwarzen als Vorhut ins Zulu-Land, um mit König Dingane eine Gebietsabtretung zu verhandeln. Am 6. 2. 1838 glückten die Verhandlungen und wurden mit einem mehrtägigen Fest gefeiert. Noch während des Festes liessen sich die nachkommenden Trekker im Zulu-Land nieder und störten damit das Ritual des Vertrages. Als Piet Retief dem König auch noch erzählte, dass andere Trekker im Norden des Landes erfolgreich den Stamm der Ndebele besiegt hatten, wurde dem König klar, dass mit der Ansiedlung der Trekker seine Macht in ihren Grundfesten erschüttert würde und beschloss, diese Trekker zu töten. Das Festritual wurde eingehalten, doch danach wurden Piet Retief und seine Begleiter getötet, auch die 500 nachgezogene Trekker in ihren Siedlungen. Die Zulu erbeuteten dabei 25‘000 Stück Vieh. (Vieh war das Mass aller Dinge im Zulu Leben. Vieh entschied über die Möglichkeit, mehrere Frauen heiraten zu können und als angesehener Mann dazustehen. Im Gegensatz zu unserem Verständnis wurde Land nicht als Besitz angesehen. Der Reichtum einer Familie bezog sich allein auf die Grösse der Viehherde.)

Für König Dingane schien damit die Sache erledigt. Doch die zu Hilfe eilenden Buren und auch Briten aus Port Natal kämpften das ganze Jahr über gegen die Zulu, hatten jedoch keine Chance gegen deren Schlagkraft. Erst am 16. Dezember 1838 wendete sich das Blatt, als die Buren dank Kanonen und einer neuen Kriegstechnik innert Kürze 7000 Zulu erschossen. Noch heute heisst der Fluss des Schlachtortes: „Blood River“. Wegen dieses Sieges waren sich die Buren sicher, dass Gott auf ihrer Seite stand und sie von Gott die Genehmigung hatten, dieses Land zu besitzen. Unweit des Schlachtfeldes errichteten die Buren eine Ansiedlung, die sie nach ihren Anführern nannten: Pietermaritzburg. Die Stadt wurde mit 8 breiten Strassen angelegt, an deren Seiten kleine Kanäle für die Bewässerung verliefen. Ab 1839 war Pietermaritzburg der Sitz des Volksrats der Voortrekker-Republik Natalia. 1841 wurde die Gelöbniskirche fertiggestellt, welche die Buren Gott vor der Schlacht versprochen hatten.

Gelöbniskirche
Church of the Vow (Gelöbniskirche), 1841

Doch schon 1842 annektierten die Briten dieses fruchtbare Land, bauten 1852 ihre erste presbyterianische Kirche und ernannten 1857 Pietermaritzburg zur Hauptstadt von Natal. Noch heute weist die Stadt viele Gebäude aus dieser Zeit auf. Unter anderem den Gerichtshof aus dem Jahre 1865, das Parlamentsgebäude, Bankgebäude und auch die Universität, die 1909 eröffnet wurde.

Die Polizei und Feuerwache (1884)
Die Polizei und Feuerwache (1884). Die grosse Turmglocke läutete täglich um 21.00 Uhr die Sperrstunde für Nichtweisse ein.
Das Rathaus
Das Rathaus aus dem Jahre 1900 ist das grösste Ziegelsteingebäude südlich des Äquators und besitzt einen 47 Meter hohen Glockenturm.

Die Briten und die Buren standen sich jedoch bis 1902 immer wieder kriegerisch gegenüber. Erst am 31. Mai 1902 wurde ein Friedensvertrag entworfen, den die Buren nur unterzeichneten, weil sie ihre Sprache, das Africaan, behalten durften und die Briten den Schwarzen jegliches Wahlrecht verweigerten. Die Zulu waren im eigenen Land ein Volk ohne Rechte geworden. Trotzdem gab es zu dieser Zeit meist ein friedliches Miteinander. Die Zulu hatten ihren eigenen König und ihre eigenen Traditionen. Nach dem frühen Tod des kinderlosen Königs Dingane kam 1840 sein Halbbruder Mpande an die Macht. Mpande verstand es, während seiner 32jährigen Regierungszeit, das Zulu-Volk erneut zu einen und zu stärken. Er selbst hinterliess rund 50 Kinder von 20 verschiedenen Ehefrauen. Alle späteren Zulu Könige, auch der heute amtierende König Goodwill, stammen von Mpande ab. Der heutige Zulu König hat in etwa den Status der englischen Queen. Er hat keinen politischen Einfluss, wird jedoch von seinem Volk verehrt und erhält eine ordentliche Apanage von der Provinz Kwa Zulu Natal.

Die Engländer und die Zulu kamen sich vor allem um die Jahrhundertwende in der Regel nicht mehr in die Quere. Am ehesten wohl wegen der Grosswildjagd. In London war es bereits ab 1860 Mode geworden, seine Villa mit afrikanischen Trophäen zu schmücken. Elfenbein, Hörner von Nashörnern und Raubtierfelle wurden in rauen Mengen nach London verfrachtet. Auch galt es als chic, in Afrika auf Grosswildjagd zu gehen. Deshalb wurden die ersten Wildreservate gegründet. Kwa Zulu-Natal Phongolo (1894) und Hluhluwe (1895) gehören zu den ältesten, aber heute zu den schönsten Parks in Südafrika. Die Grosswildjagd ging weiter, allein im Jahre 1917 wurden über 20‘000 Gnus geschossen. Die Briten erklärten jedoch die guten Jagdgründe als ihre geschützten Nationalparks, wo keine Zulu ein Recht auf Zugang hatten.

Mahatma Gandhi
Mahatma Gandhi

 

Das friedliche Miteinander hat auch damit zu tun, dass die Briten für die schwere Arbeit auf den Zuckerrohrfeldern rund um Pietermaritzburg bereits 1860 Inder ins Land brachten. Für ihren Glauben wurde ihnen 1898 ein Hindu-Tempel errichtet, ansonsten galten die Inder als Farbige und hatten ebenfalls keine Rechte. Es war in Pietermaritzburg, der Hauptstadt Natals, wo Mahatma Gandhi aus dem Zug geworfen wurde, weil er sich mit einem gültigen Ticket in ein rein weisses Abteil gesetzt hatte, wozu er als Inder kein Recht hatte. Gandhi hatte in London Jura studiert und war 1893 als Anwalt nach Südafrika gekommen. Im Kampf um die politischen Rechte der Inder in Südafrika und gegen die rassistischen Gesetze in Natal gründete Gandhi bereits 1894 den Natal Indian Congress. 1904 kaufte Gandhi in Durban eine Farm, die zum Zentrum seiner Bewegung wurde. Gandhi konnte in Südafrika viele Rechte für die Inder erzwingen und machte sich danach auf den Weg, den Briten auch im Heimatland gewaltfrei die Stirn zu bieten.

Bis 1913 war es allen Südafrikanern gestattet, in der ganzen Union Land zu erwerben oder zu pachten. Viele Schwarze mit genügend finanziellen Mitteln hatten deshalb in fruchtbaren Gegenden Land für die Landwirtschaft erworben. Die Weissen sahen sich dadurch bedroht und benachteiligt und schufen 1913 das Eingeborenenland-Gesetz. Dieses sah vor, dass 7.3% der Fläche in der Union zu Eingeborenenland deklariert wurde. Kein Weisser durfte dort Land erwerben, aber auch kein Eingeborener durfte ausserhalb dieser Fläche Land erwerben oder pachten. Dieses Eingeborenenland war überbevölkert, viele Eingeborene hatten deshalb keine andere Möglichkeit mehr, als sich von weissen Farmern zu tiefen Löhnen anstellen zu lassen oder in Städten zu arbeiten. Durch die vielen Eingeborenen in den Städten fühlten sich die Weissen einmal mehr bedroht. Deshalb wurden 1923 die städtischen Gebiete nach Rassen getrennt. Schwarze mussten innerhalb der Städte in Ghettos ziehen, damit sie sich nicht mit den Weissen vermischen konnten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Diskriminierung groteske Formen an. 1950 mussten sich alle Südafrikaner amtlich registrieren lassen. Danach hielt die weisse Regierung fest, zu welchem Volk, zu welchem Stamm ein Mensch gehörte. Das Land wurde in weisse und schwarze Zonen eingeteilt und jeder Schwarze musste dort wohnen, wo ihn die weisse Regierung zuteilte. Die Regierung hielt diese Massnahme für zwingend, weil viele Schwarze auf der Suche nach Arbeit in die Städte gezogen waren. Dort nahmen sie den Weissen Arbeit weg und auf dem Land fehlten den Farmern die billigen, schwarzen Arbeitskräfte. Laut des Museums für die Geschichte der Zulu in Pietermaritzburg wurden von 1955 bis 1985 tatsächlich 4 Millionen Schwarze zwangsumgesiedelt. Ende der 1950er Jahre war zudem nur knapp ¼ des Landes für die Schwarzen reserviert, die  damals ¾ der Bevölkerung ausmachten.

Die Schwarzen durften nicht nur kein Land und kein Haus ausserhalb der Reservate besitzen oder pachten und in Städten nur in Ghettos wohnen, sondern hatten fortan dort zu wohnen, wo es die weisse Regierung vorsah. Dadurch entstand Arbeitslosigkeit und grosse Not unter den Schwarzen. 1955 beschloss die Regierung zudem, dass alle Kinder nur noch in deren Muttersprache unterrichtet werden durften. Deshalb mussten im gleichen Jahr einige Tausend schwarze Kinder ihre öffentliche Schule verlassen, weil sie dort in Africaan oder Englisch unterrichtet wurden. Diese Umschulung bedeute gleichzeitig, dass für Schwarze keine höheren Schulen mehr in Frage kamen, denn es gab keine entsprechenden Schulbücher und Einrichtungen in deren Sprache.

In verschiedenen Geschichtsbüchern wird erklärt, dass damals die weisse Regierung auf das Mitmachen der Stammeskönige bauen konnte. Nicht nur bei den Zulu, auch bei anderen Einheimischen verlor durch die Landflucht und die bessere Bildung der König an Einfluss. Viele Schwarze hatten sehr schnell die Lebensweise der Weissen angenommen und dies wollten beide Regierungen unterbinden.

Erst 1960 gab es die ersten grossen Proteste. Nelson Mandela hielt seine Reden, rüttelte seine Brüder auf und wurde 1964 verhaftet. Bis 1976 wurden die Unruhen der Schwarzen blutig niedergeschlagen. Es waren vor allem ausländische Firmen, welche dazu übergingen, den Schwarzen die gleichen Löhne wie den Weissen zu bezahlen. Und es war auch das Ausland, das mit Sanktionen das Ende der Apartheit erzwang. Die Nichtweissen organisierten sich, das Ganze eskalierte. Erst im Juni 1990 wurden die Apartheid-Gesetze abgeschafft und am 27. April 1994 gab es die ersten freien Wahlen im Land, die Nelson Mandela gewann.

Selbst Präsident Jacob  Zuma hält im Februar 2017 in seiner Rede zur Lage der Nation fest, dass für die Schwarzen[1] noch nicht alles zum Besten steht. Obwohl es in Pietermaritzburg tausende junge schwarze Studenten gibt, es nun allmählich auch in den Ferienresorts schwarze Gäste hat, ist es in der Regel immer noch so, dass der Schwarze, vor allem die schwarze Frau eher eine zudienende Arbeit verrichtet. Laut Präsident Zuma hat heute eine weisse Familie in Südafrika durchschnittlich 5-mal mehr Geld zur Verfügung als eine schwarze. Dies möchte er ändern.

In Kwa Zulu-Natal ist das gesetzliche Mindesteinkommen knapp unter 3000 Rand. Dabei ist zu bedenken, dass die Arbeitnehmer in der Regel nicht nur die Kost, sondern auch die Arbeitskleidung erhalten. Schulen sind öffentlich und gratis, ebenfalls die Krankenversorgung. Mietzinse gibt es praktisch nicht, weil sich jedermann selbst ein Häuschen zimmert. Gemüse, Kartoffeln, Eier, Mangos und Bananen sind extrem günstig. Ich habe 8 Butternuss Kürbisse für 190 Rand gekauft und 5 kg Karotten für 240 Rand.

Kwa Zulu-Natal ist ein sehr fruchtbares Land
Kwa Zulu-Natal ist ein sehr fruchtbares Land

Die Korruption, die hier überall angeprangert wird, mag ihren Teil zum finanziellen Missverhältnis beitragen. Es ist jedoch auch zu bedenken, dass die grossen kulturellen Unterschiede nicht innerhalb von 1 bis 2 Generationen zu überbrücken sind. Auf diese gehe ich im Bericht Die Traditionen der Zulu ein.

Blandine Raemy-Zbinden

Februar 2017

Quellen:

Persönliche Führung im Natal Museum in Pietermaritzburg

Schriftliche Unterlagen des Natal Museums in Pietermaritzburg

Unterlagen des Kwa Zulu-Natal Tourismus Zentrums

The very best of Kwa Zulu-Natal von Sue Derwent  ISBN 1 86872 415 8

The Zulu, an A-Z of culture and traditions  ISBN 978 1 77007 929 8

Die Zulus, ein Bildband zu einer der bedeutensten Kulturen Afrikas, Art Publishers

Reise Know-how Südafrika  ISBN 978-3-89662-394-2


[1] In den USA mag es politisch unkorrekt sein, von Schwarzen zu reden. Hier sprechen der Präsident, Kabarettisten und auch Fernsehsprecher von Weissen, Schwarzen und Farbigen. Klar wird unterschieden, wer was ist. Schwarze könnte man als auch die Eingeborenen bezeichnen, die nicht einfach Farbige sind. Inder zum Beispiel sind Farbige.

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